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   Mit Fleiß zusammengetragen und ans Licht gebracht von Jan Meyer
 
   
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Die Zeit in Wien| .. in Buchenwald/Sömmerda| .. in Liechtenstein| Seine Stimme

Die Geschichte von Curt Herzstark und seiner Curta

Teil II: Die Zeit in Buchenwald und Sömmerda (1943 - 1945)



 1943

Verhaftung und Transport ins KZ Buchenwald

Zwei Arbeiter Herzstarks werden verhaftet: Sie haben englische Sender gehört und die Nachrichten mit der Schreibmaschine vervielfältigt. Herzstark interveniert bei der Gestapo; als Halbjude ein gefährliches Unterfangen. Erst wird er hinausgeworfen, Tage später zu einer Zeugenaussage vorgeladen und verhaftet. Seine angeblichen Vergehen: Unterstützung von Juden, Staatszersetzung, Beziehung zu arischen Frauen. Über Linz, Prag und Eger gelangt Herzstark ins Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg. »Jedem das Seine«, lautet die zynische Begrüßung über dem Eingangstor. Weimar, die Stadt der »Dichter und Denker«, ist nur wenige Kilometer entfernt. Herzstark kommt in das »kleine Lager« und muss in der Gärtnerei arbeiten. In diesen kalten Novembertagen ohne vernünftige Bekleidung eine Qual. Nach den ersten grauenvollen Erlebnissen im Lager ist Curt Herzstark körperlich und seelisch am Ende: Er hat mit dem Leben abgeschlossen. Da wird Herzstark zur Kommandantur bestellt: Ihm sitzt ein SS-Offizier gegenüber, der seinen Lebenslauf in der Hand hält. »Sie haben also für die Wehrmacht gearbeitet? Wenn Sie nicht unter Gedächtnisschwund leiden und unsere Befehle gehorsam ausführen, werden Sie ein erträgliches Leben im Lager haben.« Herzstark wird in das angeschlossene Gustloff-Werk (eine feinmechanische Fabrik der SS) abkommandiert.

Buchenwald

 1943
Das Gustloff-Werk

Hier geht es ihm schnell besser. Er ist für die optimale Auslastung der Maschinen zuständig, hat bald größeren Einfluss und ist bei den Mitgefangenen beliebt. Fachleute aus allen besetzten Ländern Europas müssen hier – wie Herzstark es nennt – Intelligenz-Sklavendienst leisten. Curt Herzstark rettet vielen das Leben, indem er sie für die Fabrik als Arbeitskraft anfordert. So erhält er später die Ehrenbürgerschaft von Luxemburg, weil er einer Luxemburgerin das Leben gerettet hat. Herzstark darf abends und am Sonntag Pläne für seine neue, kleine Rechenmaschine zeichnen. Die soll dem »Führer« als Siegergeschenk überreicht werden. Dafür wird ihm sogar die Arisierung in Aussicht gestellt. Herzstark nimmt das nicht sehr ernst, aber es ist zumindest lebensverlängernd. Durch die Sonderstellung ist es ihm möglich, regelmäßig Lebensmittelpakete seiner Mutter zu empfangen. Die deutsche Wehrmacht ist zu dieser Zeit schon auf dem Rückzug aus Italien. Hierbei nimmt sie alle brauchbaren Werkzeugmaschinen mit. Herzstark muss aus drei beschädigten Olivetti-Maschinen zwei brauchbare machen. Diese werden dann an Fabrikanten aus Thüringen verkauft. Herzstark muss – frisch rasiert, mit Russenjacke und Baskenmütze – die Maschinen wie ein Verkäufer anpreisen. Mit einem Besucher, der ihn schon länger fixiert hat, ergibt sich plötzlich ein kurzer Dialog: »Herzstark?« – »Ja!« – »Walther«. Es ist der bekannte Waffen- und Rechenmaschinenfabrikant Walther. Er steckt Herzstark eine Schachtel Zigaretten zu – mehr kann auch er nicht tun.

Curta Reinzeichnung

 1945
V1/V2-Fabrikation in Billroda

Amerikanische Flugzeuge bombardieren Anfang 1945 die SS-Unterkünfte und das Gustloff-Werk. Unter den Häftlingen gibt es über 300 Tote und mehr als 500 Schwerverletzte. Herzstark bleibt unverletzt und wird verlegt: Nach Billroda, einer Fabrik in einem ehemaligen Kalibergwerk, 600m unter der Erde. Dort werden Teile für die V1 und V2 produziert. Die Arbeit hier rettet Herzstark vermutlich das Leben. Er hat bereits mehrere Tuberkuloseinfektionen hinter sich. Aber diese Salzluft, bei 21 Grad Erdwärme, ist die reinste Medizin. Vielen anderen geht es nicht so gut: Bei der Fabrikation der V1 und V2 kommen mehr Menschen ums Leben als durch die Waffen selbst. Von Februar bis Anfang April 1945 ist er in Billroda, ehe er wieder nach Buchenwald zurückkehrt.

Liliput

 1945
Befreiung des Lagers Buchenwald

Am 11. April 1945 erreichen Einheiten der 3. US-Armee den Ettersberg. Die SS ist bereits geflohen. Häftlinge der geheimen Widerstandsorganisation öffnen das Lager von innen. Curt Herzstark ist frei! An eine Rückkehr nach Wien ist im Moment nicht zu denken. Aber er ist in Sicherheit, hat ein Dach über dem Kopf und zu essen. Nach zwei Tagen rafft er sich zu einem Fußmarsch ins 8 km südlich gelegene Weimar auf. Man erkennt natürlich, dass er aus Buchenwald kommt. Einige der Leute, denen er begegnet, beginnen zu stammeln: »Wir haben ja nichts gewusst all die Jahre!« Herzstark erwidert: »Friede mit euch. Ich lebe, Sie leben, ich bin kein Richter, das sollen andere machen.« In Weimar nimmt er Kontakt mit dem Rechenmaschinenvertreter Müller auf. Mit ihm spricht er über die neue Maschine und zeigt ihm die Pläne – die pünktlich zum Kriegsende fertig wurden. Die Bleistiftzeichnungen sind bereits für die Typen I und II ausgearbeitet und fertigungsreif.

Befreiung

 1945
Die Firma Rheinmetall

Müller empfiehlt ihm die Rheinmetallwerke in Sömmerda. Diese große Fabrik für Schreib- und Rechenmaschinen ist nur 20 km von Weimar entfernt. Müller nimmt den Kontakt zur Rheinmetall auf. Einige Tage später kommen fünf Herren, darunter auch Direktor Weisserth, den Herzstark noch aus dem Jahre 1928 von Patentverhandlungen her kennt. Die Fachleute erkennen sofort den Wert dieser Pläne und die Beurteilung kann kaum besser ausfallen.

Die Patentfachleute:
  • Grundlegende Neuentwicklung – Ideenpatente.
  • Auf dieser Basis Nachahmungen ausgeschlossen.
  • Weitere Konstruktionen an der Maschine noch patentfähig.
  • Erfinder ist österreichischer Staatsbürger; Österreich ist befreites Land und es besteht keine Gefahr der Patent-Konfiszierung.
Die Fertigungsfachleute:
  • Reife mechanische Konstruktion.
  • Maschine von Fachleuten einfach herstellbar.
  • Kinderkrankheiten sind nicht zu erwarten.
  • Prototypen können sofort hergestellt werden.
Die Vertriebsfachleute:
  • Der Büromaschinenmarkt der ganzen Welt wartet auf Vierspeziesmaschinen im Taschenformat.
  • Vorsichtig geschätzter Weltbedarf: 10 Millionen Stück!
Die Pläne sind so gut detailliert und bemaßt, dass innerhalb von 8 Wochen (auf Herzstarks Kosten) drei funktionsfähige Prototypen gebaut werden. Curt Herzstark wird sogar die Direktion der Rheinmetallwerke angeboten.

Patentskizze

 1945
Rückkehr nach Wien

Als Folge des Berliner Abkommens vom 7.7.45 wird das Gebiet um Weimar russische Zone. Herzstark erfährt, dass die Russen viele deutsche Fachleute nach Russland deportierten. Er will nur noch eines – zurück nach Wien; er zerlegt die drei Maschinen und bereitet seine Flucht vor. Die führt ihn auch über Prag, wo er in der provisorischen österreichischen Gesandtschaft übernachtet. Der Bürgermeister von Prag, auch Häftling in Buchenwald, erkennt Herzstark und hilft ihm weiter bis zur österreichischen Grenze. Herzstark schlägt sich bis nach Wien durch. Am 4. Dezember um 4 Uhr früh gibt es ein Wiedersehen mit der überglücklichen Mutter. Überrascht ist Curt über den guten Zustand der Fabrik, dort lässt er die drei Prototypen sofort wieder zusammenbauen. Es zeigen sich aber familiäre Probleme: Herzstark soll seinen Bruder, der sich nie um die Firma kümmerte, an der Erfindung teilhaben lassen. Dafür hat er – nach allem was er mitgemacht hat – nun gar kein Verständnis. Geld, um eine Produktion zu starten, ist bei der Regierung in Österreich auch nicht aufzutreiben. Da bleibt nur eines: Auswandern. Er nimmt Kontakt zu Ernst Jost, dem Präsidenten der Firma Precisa in der Schweiz, und zu Firmen in Amerika auf.

 


 
   ©2003 by Jan Meyer